Silvia Habedank:

Besser zuhören

Kommunikation / 9.8.2017 / 0 Kommentare

Besser zuhören

 

Wir gehen davon aus, dass das Vorhandensein von zwei Ohren ausreicht, dass jeder zuhören kann. Und doch fühlen wir in manchen Gesprächen, dass unser Gegenüber seine Ohren auf Durchzug stellt und unsere Botschaft nicht aufnimmt.

Da Zuhören zunächst ein unsichtbarer mentaler Prozess ist, wird seine Bedeutung unterschätzt und seine Allgegenwart kaum wahrgenommen. Zuhören scheint so selbstverständlich, weil es die erste kommunikativ Fähigkeit ist, die wir im Verlauf unserer Entwicklung erwerben. Sie ist die wichtigste Voraussetzung dafür, dass wir sprechen, lesen und schreiben lernen.

Untersuchungen haben gezeigt: 50 bis 80 Prozent unserer Wachzeit verbringen wir mit Kommunikation. Je nach Beruf fallen etwa 45 Prozent auf das Zuhören. Die verbleibende Zeit nutzen wir zu 30 Prozent mit Sprechen, zu 16 Prozent mit Lesen und zu 9 Prozent mit Schreiben. Von all diesen Kommunikationsformen wird das Zuhören in Elternhäusern, Schulen, Universitäten und Unternehmen am wenigsten gelehrt.

Eine Vielzahl von Studien belegt, dass mangelhaftes Zuhören an der Tagesordnung steht: Führungskräfte hören ihren Mitarbeitern nicht gut zu, Verkäufern ihren Kunden, Kollegen untereinander, Männern ihren Frauen und umgekehrt. Eine Studie der Unternehmensberatung Proudfoot ergab, dass die wichtigsten Gründe für Managementfehler auf schlechtes Zuhören zurückzuführen sind. Der Glaube, ein guter Zuhörer zu sein, ist jedoch weit verbreitet.

 

Was uns am Zuhören hindert

  • Wir meinen, die Erläuterungen und Antworten unseres Gesprächspartners schon zu kennen. Wir wollen die „bedeutungslosen" Argumente des anderen nicht wissen, da wir uns im Recht fühlen.
  • Wir suchen nach einem Stichwort, um das Gespräch wieder zu übernehmen.
  • Wir sind in Gedanken bei ganz anderen Dingen.
  • Wir folgen dem Irrglauben, dass Zuhören Zustimmung bedeutet.
  • Wir stehen unter Zeitdruck und möchten das Gespräch möglichst schnell beenden.

 

Drei Qualitäten des Hörens

Hören bedeutet den Mund zu halten, sich mit seinen eigenen Gedanken zu beschäftigen und darauf zu warten, selbst reden zu können.

Hinhören heißt aufzunehmen, was das Gegenüber sagt, ohne sich jedoch darum zu bemühen, zu erkennen, was ausgedrückt werden soll.

Zuhören bedeutet, sich in den anderen hineinzuversetzen und ihm die volle Aufmerksamkeit zu schenken. Auditiv und visuell empfangene Informationen werden gleichermaßen wahrgenommen und verarbeitet. Durch Haltung und Reaktionen wird dem Gesprächspartner Wertschätzung gezeigt.

 

 

Die Deutung des chinesischen Schriftzeichens für „Hören" gibt Aufschluss über die stets miteinander verknüpften Fähigkeiten, die ein guter Zuhörer besitzt:

  •  Aufmerksamkeit (Ohren)
  •  Beobachtungsgabe (Augen)
  •  Einfühlvermögen (Herz)
  •  Disziplin (König)´

 

Wir erkennen an unserem Zuhören sehr viel besser als an unserem Reden, ob wir anderen Menschen Wertschätzung und Verständnis entgegenbringen. Auch und gerade dann, wenn es einmal schwer fällt.

Insbesondere in schwierigen Gesprächssituationen, wie zum Beispiel in Konflikten und Verhandlungen, nimmt die Zuhörfähigkeit eine besondere Bedeutung ein. Für eine konstruktive Konfliktlösung und erfolgreiche Gesprächsführung ist es entscheidend, immer wieder angemessen auf die sich durch jede Äußerung permanent verändernde Situation zu reagieren. Werden Informationen nicht erfasst, kann der Gesprächsprozess nicht richtig eingeschätzt werden. Somit erzielen die eigenen Antworten auch nicht die beabsichtigte Wirkung, da der passende Bezug nicht hergestellt wird. Mit anderen Worten: Nur wer gut zuhören kann, kann einen erfolgreichen Beitrag zu einem Gespräch leisten.

 

Um diese Herausforderung zu meistern, ist partnerorientiertes und Aktives Zuhören nützlich:

  •  Voraussetzung für Aktives Zuhören ist, sich selbst zurückzustellen, den anderen zu akzeptieren und ihm Wohlwollen und Interesse entgegenzubringen.
  •  Eine angenehme Gesprächsatmosphäre erreichen wir, indem wir uns unserem Gesprächspartner körpersprachlich zuwenden, ihn stets aussprechen lassen und durch Aufmerksamkeitssignale (Augenkontakt, Zustimmung durch „ja", „aha" o.Ä. und nicken) Interesse und Verständnis zeigen.
  •  Macht der Partner eine Sprechpause, so ist es gut sie auszuhalten. Es löst neue Sprechimpulse bei ihm aus.
  •  Kurze Pausen zu machen, bevor der eigene Redebeitrag beginnt, schafft Ruhe und Struktur.
  •  Das Wiederholen eines Sachinhalts mit eigenen Worten fand bereits bei den alten Griechen statt. Sie nannten diese Technik „Paraphrase". In den Dialogen Sokrates´ wurde bereits paraphrasiert. Auf diese Weise wird Interesse an dem Gesagten bekundet, Missverständnissen vorgebeugt und das Gegenüber zum Weitersprechen angeregt. Beispiel: „Wenn ich Sie richtig verstanden habe, dann sind Sie der Meinung, dass der Betriebsrat Ihre Interessen unzureichend vertritt."
  •  Im Unterschied zum Paraphrasieren wird beim Verbalisieren die emotionale Aussage des Gesprächspartners wiederholt. Ziel ist es, dass er sich seiner eigenen Gefühle bewusst wird und sich im Gespräch weiter öffnet. Beispiel: „Sie fühlten sich bei dieser Maßnahme hintergangen und sind nun sehr enttäuscht."
  •  Durch Nachfragen werden weitere wichtige Details sichtbar. Beispiel: „Wie reagierte Herr Schmidt, nachdem Sie ihm das Ergebnis mitgeteilt hatten?"
  •  Bei längeren Gesprächen oder beim Ausschweifen des Gesprächspartners ist das Zusammenfassen von Kernaussagen sinnvoll. Es gibt den Beteiligten einen Überblick und hilft, die Gedanken zu ordnen.

 

Eine irische Volksweisheit sagt: Um sprechen zu lernen, brauchen wir zwei bis drei Jahre. Um zuhören zu lernen, Jahrzehnte. In der Tat steigt mit dem Alter unsere Fähigkeit, zuhören zu können – jedoch nicht unbedingt die Bereitschaft. Wer die Wartezeit verkürzen möchte, der kann das konzentrierte und wertschätzende Zuhören durch Übungen, Reflexion und Feedback schon früher lernen.

 

 

 

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