Silvia Habedank:

Lampenfieber und Sprechängste überwinden

Rhetorik / 16.2.2017 / 0 Kommentare

Lampenfieber und Sprechängste überwinden

 

Das Herz des Redners klopft laut, seine Stimme zittert und auf seiner Stirn bilden sich Schweißperlen – ein klassischer Fall des sogenannten Lampenfiebers.

Angst ist ein natürlicher Schutzmechanismus des Körpers. Sie geht auf die Frühzeit unserer Entwicklungsgeschichte zurück, als es notwendig war, auf Angriffe blitzschnell zu reagieren. Die Hormone Adrenalin und Noradrenalin werden auch heute noch in bedrohlichen Situationen ausgeschüttet und aktivieren alle körperlichen Kräfte und Energiereserven, die eine schnelle Flucht oder eine schlag-kräftige Gegenwehr ermöglichen.

Flüchten oder Kämpfen - angesichts einer drohenden Gefahr sind diese Reaktionen hilfreich – auf einer Bühne mit anwesendem Publikum jedoch äußert unpassend.

Leichte Anspannung hingegen erhöht unsere Aufmerksamkeit, motiviert uns, die anstehende Situation zu meistern, und fördert die Konzentration und Leistungsfähigkeit. Sie ist ein Zeichen für die Achtung vor dem Publikum und zeigt unsere Leidenschaft zum Thema.

 

 

Lampenfieber entsteht zwischen unseren beiden Ohren

Auch wenn die Auswirkungen von starkem Lampenfieber äußerlich erkennbar sind, liegen die Ursachen ausschließlich in unserem Denken und Erleben. Persönliche Unsicherheiten, Selbstzweifel und die Sorge, die Erwartungen der anderen nicht zu erfüllen, lösen das Lampenfieber aus.

  •  In der Öffentlichkeit zu sprechen, lag mir noch nie.
  •  Der Vorredner ist ein Profi. Und danach komme ich als kleines Licht auf die Bühne.
  •  Bestimmt verliere ich den Faden und bringe kein Wort mehr heraus.
  •  Was mache ich bloß, wenn jemand eine Frage stellt und ich keine Antwort weiß?
  •  Mein Chef wird sicherlich denken „So eine Niete!" Mit der Beförderung wird es dann nichts.

Angst ist verständlich. Sie sagt uns, was für uns auf dem Spiel steht. Der erste Schritt, sein Lampenfieber in den Griff zu bekommen, ist Ängste zu akzeptieren: „Ich nehme meine Angst an, aber ich gebe ihr nicht nach!"

 

Tipps für die Praxis

 

Vorbereitung ist die halbe Miete

Das war schon zu Schulzeiten so: Je besser wir vorbereitet sind, desto ruhiger waren wir vor einer Klausur. Nehmen Sie sich Zeit für eine intensive Vorbereitung. Eine Generalprobe vor Kollegen, Freunden oder Familienmitgliedern übt und Sie erhalten wertvolles Feedback, bevor es ernst wird.

 

Professionelle Redner nutzen Stichwortkarten

Auch wenn Sie auf Anhieb nicht wissen wie es weitergeht; ein Blick auf Ihre Stichwortkarte gibt
Ihnen eine sichere Auskunft. Mit Stichwortkarten denken Sie an alles, halten die Reihenfolge Ihrer Vortragspunkte ein, haben Ihre Zeit stets im Griff und können Zitate sowie Zahlen, Daten, Fakten korrekt wiedergeben. Beim Gestalten der Karten hat die Übersichtlichkeit oberstes Gebot. Schließlich wollen Sie mit einem kurzen Hinblicken das Wesentliche erfassen. Ausformulierte Sätze und eine kleine Schrift sind somit tabu.

 

Auf die Gedanken kommt es an

Statt sich am Vorabend schreckliche Vortragsszenen auszumalen, ist es angenehmer und wirkt aufbauend, sich vor dem geistigen Auge eine Erfolgsstory vorzustellen. Nach dem Prinzip der selbsterfüllenden Prophezeiung beeinflussen uns zuversichtliche Vorstellungen oder mentale Bilder und Gedanken positiv. Laut gesprochene Merksätze unterstützen unser Unterbewusstsein:

  •  Ich bin sicher und souverän.
  •  Ich spreche langsam und lebendig.
  •  Ich formuliere kurze Sätze und setze Pausen.

 

Ruhig und tief atmen

Sind wir aufgeregt, so neigen wir zum häufigen und schnellen Einatmen. Die Folge ist, dass unsere Lunge sich übermäßig mit Luft füllt, jedoch nicht zum Ausatmen kommt. Wir haben das Gefühl, völlig aus der Puste zu sein und die Nervosität steigt.

Achten Sie darauf, dass Sie kräftig ausatmen und dann langsam einatmen. Wenn Ihre Atmung wieder im richtigen Rhythmus ist, sinkt Ihr Puls und sie werden ruhiger. Jetzt können Sie mit Ihrem Vortrag beginnen.

 

Sorgen Sie für einen sicheren Einstieg

Ein aufrechter Gang zur Bühne, ein sicherer Stand auf beiden Füßen, das Einfangen der Zuhörerblicke, eine ruhige Atmung, ein natürliches Lächeln, die ersten Worte mit einer festen Stimme gesprochen – sind Sie mit dem Beginn Ihres Auftritts zufrieden, so weicht das Lampenfieber meist sehr schnell. Für einen souveränen Start können Sie den Beginn Ihrer Rede auch auswendig lernen.

 

Und wenn Sie den Faden verlieren?

„Nein, ich hab's gewusst. Jetzt weiß ich nicht mehr weiter." – in diesem Augenblick bekommt jeder Zuhörer mit, dass der Redner aus dem Konzept ist. Das Missgeschick ist kein Missgeschick, erst die falsche Reaktion macht es dazu.

Überspielen Sie die Situation, indem Sie einen Schluck Wasser zu sich nehmen, das zuletzt genannte Beispiel ausschmücken oder ein weiteres Argument nennen, eine kurze Zusammenfassung über das bisher genannte geben oder indem Sie es einfach mit einem Lächeln im Gesicht zugeben: „Jetzt ist mir der Faden gerissen. Wer kann mir ein Stichwort geben?" Kleine Fehler machen sympathisch und erwecken keinesfalls den Eindruck, Sie wären nicht kompetent.

 

Betablocker – ein Ausweg?
Der für Bluthochdruckpatienten und Herzkranke entwickelte Arzneistoff wird unter einigen Berufsgruppen – z.B. Managern und Berufsmusikern, die unter hohem Erfolgsdruck und daher auch besonders häufig unter Auftritts- und Versagensängsten leiden - als sicheres Wundermittel gehandelt. Eine Studie (2010 - Institut für Musikpsychologie Hannover) besagt, dass etwa 60 % der Solisten in Orchestern sporadisch bis regelmäßig zu dem Doping greifen.

Tatsächlich reduziert die Einnahme von Betablockern die Ausschüttung des Stresshormons Adrenalin, reguliert den Herzschlag und unterbindet somit die körperlichen Auswirkungen der Angst. Anders als beim Alkoholkonsum bleibt dabei die Leistungs- und Konzentrationsfähigkeit hoch.

Werden positive Erfahrungen mit der Einnahme von Betablockern gemacht und die erbrachte Leistung mit der Einnahme des Medikaments verknüpft, so beginnt der Teufelskreis. Der Griff zu den Pillen in der nächsten, möglicherweise nicht einmal starken Stresssituation ist ein leichter und die psychische Abhängigkeit nimmt ihren Lauf.

Die Einnahme von Betablockern führt letztendlich zu einer Selbstwert-Schwächung: Erfolge werden der Einnahme des Medikaments und nicht den eigenen Fähigkeiten zugeschrieben. Auf lange Sicht sinkt durch die immer geringere Kompetenzeinschätzung auch die tatsächliche Leistung bzw. Vortragsqualität. Zudem sind die Nebenwirkungen – wie Müdigkeit, Depressionen, Herzschwäche, Asthma ein hoher Preis.

 

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