Toleranz als falsches Signal - Gute Führung muss mehr als ein Lippenbekenntnis sein

Führung / 15.1.2018 / 1 Kommentare

Toleranz als falsches Signal

 

Zum zweiten Mal führte die Hochschule Osnabrück eine explorative Studie zum Thema Personalführung durch. Die Befragung von 351 Unternehmen verschiedener Branchen mit einer Mindestzahl von 400 Mitarbeitern erfolgte als standardisiertes Interview im Zeitraum März bis Dezember 2013. Die Ergebnisse (Auswahl) sind ernüchternd und werfen Fragen auf:

 

Stimmen die Zahlen, so wird schlechte Führung toleriert

60 % der befragten Vorstände, Geschäftsführer und Personalleiter bekennen, dass Führungskultur und Führungsverhalten eine hohe bis sehr hohe Bedeutung haben. Gleichzeitig gilt, dass schlechtes Führungsverhalten bei mehr als 2/3 aller Befragten toleriert wird, solange das operative Ergebnis der beurteilten Führungskraft stimmt. Die Konsequenzen schlechter Führung sind nicht fürchtenswert:
82 % der befragten Unternehmen gaben an, dass schlechte Führung kein Grund für eine Kündigung sei. Hingegen führt ein schlechtes operatives Ergebnis bei 42 % der Befragten zur Trennung.

 

Die Beurteilung des Führungsverhaltens nimmt mit zunehmender Hierarchieebene ab

Das Führungsverhalten der unteren Hierarchieebene ist zu 98 % Bestandteil der Personalbeurteilung; in der mittleren Ebene zu 93 % und in der oberen Ebene zu 60 %. Kommt der Führungsleistung in oberen Chef-etagen eine geringere Bedeutung zu? Gutes Führungsverhalten wird nicht belohnt, da es in Zielvereinbarungen nur eine untergeordnete Rolle spielt.

 

Langjährige Berufserfahrung macht die Weiterentwicklung von Führungskompetenzen scheinbar unnötig

Die Weiterentwicklung von Führungskompetenz konzentriert sich auf den Führungsnachwuchs (77 %) sowie auf die untere und mittlere Führungsebene (73 % und 69 %). Instrumente zur Weiterentwicklung der Führ-ungskompetenz für die obere Führungsebene bieten 37 % der befragten Unternehmen an. Und: Je höher die Führungsebene, desto weniger werden die Angebote in Anspruch genommen.

 

"Mitarbeiter kommen zu einem Unternehmen, aber sie verlassen Vorgesetzte."

Reinhard K. Sprenger (dt. Führungsexperte und Buchautor)

 

Führungskultur ist Aufgabe der Personalabteilung

Während maßgebliche Impulse für den Aufbau einer positiven Führungskultur von der Geschäftsleitung kommen (81 % der befragten Unternehmen), sind die Personalabteilungen für die konkrete Umsetzung verantwortlich (73 % der befragten Unternehmen). Bei 30 % der Unternehmen werden Führungskultur und Führungsinstrumente konsequent von oben nach unten gelebt.

 

Unternehmen können sich schlechte Führung nicht leisten

Menschen in sozialen Systemen beobachten insbesondere obere Hierarchiestufen. Was in diesen Ebenen geschieht ist Gesprächsthema, gibt Orientierung und beeinflusst eigenes Verhalten. Das Handeln – insbesondere des oberen Managements - steht für nachfolgende Führungskräfte und Mitarbeiter besonders im Fokus. Unzulänglichkeiten am Führungssystem - gerade dann, wenn entsprechende Instrumente vorhanden sind - schlagen sich daher negativ auf die Motivation der Mitarbeiter mit daraus resultierenden Folgen wie Produktivitätsverlust und höheren Krankenständen nieder. Die Gefahr gute Mitarbeiter an Wettbewerber zu verlieren ist groß. Und potenzielle Kandidaten schauen nicht nur auf den Karrierelink der Firmenwebsite sondern nutzen Arbeitgeberbewertungsportale um sich zu informieren. Ein inkonsequentes Verhalten beim Thema Führungsqualität entwickelt sich langfristig zum finanziellen XXL-Bumerang.

 

Gefahr erkannt – Gefahr gebannt?

Das Ergebnis der Studie sollte für Unternehmen Anlass sein, sich den Spiegel vorzuhalten und sich zu reflektieren. Übereinstimmungen mit den beschriebenen Problemen kritisch zu betrachten und Maßnahmen zu erwägen, die dem entgegenwirken können, sind erste Schritte zur Problemlösung.

 

Überlegungen

  • Einbinden von Top-Managern in das Thema Führungsqualität
  • Standardisierte und transparente Einstellungsprozesse - auch bei der Besetzung höherer Führungspositionen
  • Regelmäßige Evaluation der Führungsleistung – auch für das obere Management
  • Konsequentes Vorleben eines guten Führungsverhaltens einfordern und messen (Mitarbeiterbefragung, 360 Grad Feedback)
  • Überprüfung und Erweiterung der Beurteilungskriterien für Führungskräfte; ggf. durch die Kennzahlen: Fluktuationsrate, Krankheitsquote, Anzahl der weiterentwickelten Mitarbeiter
  • Sanktionen durchsetzen, auch wenn das operative Ergebnis stimmt
  • Individuelle Führungskräfteentwicklungsprogramme für das Top-Management anbieten und durchführen
  • Qualifizierungsmaßnahmen auf Unternehmenswerte und Führungsgrundsätze abstimmen

 

Zu viel Management – zu wenig Führung

Das Besinnen auf Führungsaufgaben im oberen Management ist ein wesentliches Fazit der Studie: Erfolgreiches Leadership beinhaltet beides – gutes Management und gute Führung.

Die positive Nachricht: Beides kann man lernen.

 

1 Kommentare

  • 22.3.2018 / 05:01 Uhr

    Teresa schreibt

    Die Liste ist schon sehr vollständig. Ich würde auf jeden Fall noch mit aufnehmen, dass Führungspersonen eine ganzheitliche Rolle haben und daher nicht nur Wissen in den ihnen zugeteilten Abteilungen haben sollen, sondern auch die gesamte Businessstrategie im Auge behalten (siehe https://www.hrblue.com/die-neuen-hr-leadership-skills/). Nur so können Ziele zur Gänze durchgesetzt werden.

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