Stefan Kozole:

Wer braucht heute noch eine Personalabeilung?

HR / 28.9.2017 / 0 Kommentare

 

Wo wir auch hinschauen finden wir Messen, Kongresse, Studien, Roundtable-Gespräche, Podiumsdiskussionen, Artikel und BLOGs über die Zukunft der Personalabteilung. Sind die Personalabteilungen in deutschen Unternehmen noch richtig aufgestellt oder personalern wir am Bedarf vorbei. Die folgenden Beispiele sind, teils aus der Not und teils gezielt, in einigen Unternehmen gängige Praxis und somit von der These zur Realität geworden.

1. Die operativen Führungskräfte übernehmen mehr und mehr die klassische und operative Personalarbeit. Sie sind dichter am Mitarbeiter und kennen die Bedürfnisse besser. Somit ist die Förderung im Rahmen der Personalentwicklung und Führungskräfteentwicklung besser umsetzbar. Im Recruiting wissen sie besser, welcher Typ Mensch in den Teams benötigt wird und welche Qualifikation der Bewerber mitbringen muss.

2. Die verwaltende und administrative Personalarbeit kann besser und effektiver durch spezialisierte Outsourcing-Dienstleister erbracht werden. Gerade die Themen Entgelt, Reisekosten, Zeugnisse, Zeiterfassung usw. lassen sich perfekt auslagern.

3. Die Automatisierung und das Roboting machen auch vor HR nicht halt. Standardprozesse und Routineaufgaben werden durch die Maschine schneller, fehlerfreier und besser abgearbeitet. Denken wir doch einfach an klassische Prozesse wie Eingruppierungen, Tarifstrukturveränderungen, Urlaubsgenehmigungsverfahren, Listen, Statistiken, usw..

4. Für die Durchführung von operativer und strategischer Personalarbeit bedienen wir uns schon heute bei Spezialanbietern. Für die PE/FKE/OE werden externe Trainer und Berater eingekauft. Für Coaching-Szenarien wird der Coach gebucht und in Recruitingfällen wenden wir uns an den Personalberater unseres Vertrauens.

 

Wofür braucht es noch eine Personalabteilung? Sterben die Personaler aus?

In der beruflichen Praxis werden wir oft überrannt von den sich ständig wechselnden Trends. Die industriellen Megatrends wie zum Beispiel Globalisierung, Digitalisierung, Vernetzung, Integration führen zu ungeahnten Stilblühten in der HR-Welt. Aus diesen Vorgaben haben sich HR-Trends wie Employer Branding, Arbeitswelt 4.0, Active-Sourcing, Office-Welten, Candidate Mining, HR-Roboting abgeleitet.

In den Personalabteilungen der Konzerne und Großunternehmen sind viele Ideen aufgegriffen und auch umgesetzt worden. Folgen wir der reinen ideologischen Messung, so werden fantastische Erfolge gefeiert. Wirtschaftlich betrachtet sieht es oft ganz anders aus. Wir hören von den Verantwortlichen, das Ergebnis wird erst in mehreren Jahren spürbar. Glauben Sie wirklich daran? Auf der anderen Seite stehen viele Personalabteilungen bei einigen dieser Themen noch in den Startlöchern oder haben noch gar nicht begonnen sich aktiv damit auseinanderzusetzen, da tauchen schon die nächsten Megatrends auf.

Die Heidelberger „Gesellschaft für Innovative Marktforschung" hat in einer Studie herausgefunden, dass uns die folgenden Trends bis 2030 massiv beeinflussen werden. Wahrscheinlich werden diese neuen Megatrends einen noch größeren Einfluss auf den Erfolg guter Personalarbeit haben.

Algorithmisierung – Unser Leben, zumindest unser digitales Leben wird durch Algorithmen bestimmt. Beachten Sie doch einfach mal Ihre Startseite bei Amazon. Was wird Ihnen dort angeboten?

Verwertung – Die Macher der Studie glauben, dass an die Stelle der Selbstverwirklichung zunehmend die Selbstverwertung treten wird. Ein tolles Wochenende zu genießen ist wunderbar. Für viele ist es jedoch besser, dafür 1.000 Likes zu erhalten!

Gestaltung – Wir haben immer mehr die Möglichkeit unsere Welt nach unseren Bedürfnissen zu gestalten. Gen-Manipulationen gehören heute schon zum Alltag in der Wissenschaft!

Fragmentierung – Mit der Digitalisierung und Globalisierung ist unsere Welt weiter und schneller geworden, gleichzeitig aber auch unüberschaubarer. Wir Menschen haben jedoch ein Bedürfnis nach klaren Regeln und Strukturen. Wir suchen diesem Trend zu folge wieder mehr Halt und Orientierung!

Re-Lokalisierung – Der Gegentrend zur Digitalisierung und Globalisierung lässt sich schon heute in Re-Urbanisierungskonzepten erkennen. Denken Sie doch mal an Ihren Edeka oder REWE Markt. Kennen Sie dort das Gemüseangebot aus der Region.

 

Wird die Personalabteilung von den ständig wechselnden Trends überrannt?

Wir Personaler kämpfen jeden Tag mit den alltäglichen Problemen der Personalarbeit. Ja es ist Arbeit. Die Personaladministration und –verwaltung, die Personal- & Führungskräfteentwicklung, die Organisationsentwicklung, die Personalbeschaffung und die vielen Routineaufgaben müssen erledigt werden, egal ob Trends kommen oder gehen. Wir sind zwischen Strategie-, Zentralisierungs-, Dezentralisierungs- oder Outsourcingabsichten der Geschäftsführung gefangen. Gleichzeitig geistern jeden Tag neue skurrile Ideen durch die Medienlandschaft und neue Gesetzte machen uns das Leben nicht einfacher.

Modular HR, die flexible 28-Stunden-Woche, Naked HR, Entgelttransparenz, BGM/BEM, Designing HR, §5 Arbeitsschutzgesetz, BAV, EU DS-GV, Digitale HR, Fachkräftemangel, 70% aller Change-Projekt scheitern, Demographischer Wandel, Kostendruck und Wertschöpfung,... Um hier nur einige der letzten Monate zu nehmen. Ich bin mir Sicher, Sie könnten die Liste nahezu endlos fortsetzen.

Und jetzt stellen wir uns mal vor, Sie sind Personalleiterin oder Personalleiter in einem Mittelstandsunternehmen mit 4 Standorten. Ihre Personalabteilung besteht aus 3,25 FTE für 1.200 Mitarbeiter. Sie und Ihr Team erledigen seit Jahren die komplette Personalarbeit professionell und zur Zufriedenheit Ihrer Mitarbeiter, Ihrer Führungskräfte und Ihres Managements. Ich kann sie gerade vor mir sehen, wie Sie den Kopf schütteln und denken, bleib mir bloß weg mit diesen ganzen Trends, die wir angeblich umsetzen müssen, wenn wir als Personalabteilung nicht abgeschafft werden wollen.

 

Wo liegt der Mittelweg zwischen der Alltagsbewältigung und den Anforderungen an moderne Personalarbeit?

Ich bin der Meinung, dass sich Personalabteilungen an die Markt-, Kultur-, und Sozioökonomischen-Veränderungen anpassen müssen. Sie müssen es allerdings in dem Rhythmus tun, der für sie sinnvoll ist. Sie müssen sich mit den für sie umsetzbaren Trends/Veränderungen auseinandersetzen. Aber wie schaffen sie das?

Für viele Personalabteilungen ist Outsourcing ein negativ besetztes Wort. Mit Outsourcing wird Kostenreduktion oder Stellenabbau gleichgesetzt. Was wäre, wenn wir Outsourcing mal anders denken? Was wäre, wenn wir Outsourcing positiv als Unterstützung verstehen?

Angenommen wir haben schlichtweg nicht das Budget, die Ressourcen oder das Know-How für ein modernes Recruiting. Unser Wettbewerber ist jedoch besser aufgestellt und fischt den Kandidatenpool immer vor uns leer. Wäre es da nicht besser, mit einem echten Recruiting-Experten zusammenzuarbeiten? Angenommen wir haben nicht die Zeit und nicht das Budget um eine echte Führungskräfteentwicklung mit einer eigenen Akademie und einem modernen Laufbahnmanagement auf die Beine zustellen. Wäre es da nicht besser, mit einem externen PE/FKE-Experten zusammenzuarbeiten?

Da die Umsetzung und Implementierung einiger der HR-Trends mehr als sinnvoll ist, sollten wir über diese Alternativen ernsthaft nachdenken. Wir müssen und wollen uns stetig weiterentwickeln, wir wollen nicht nur die klassische Personalabteilung sein. Ist es aber wirklich notwendig dem Trend aller Trends zu folgen, nämlich „allen möglichen HR-Trends hinterher zulaufen".

 

Sollten wir also nicht viel lieber gute, wertschöpfende, nachhaltige und vor allen Dingen am Menschen ausgerichtete Personalarbeit in den Fokus stellen?

Meiner Meinung nach, tun die Personalabteilungen in deutschen Unternehmen gut dran, nicht auf jeden Trend aufzuspringen und sich nur auf die relevanten Themen der Personalarbeit zu konzentrieren um in den Spezial-Disziplinen mit den Marktexperten zusammenzuarbeiten.

 

Ich möchte hier eine Diskussion anstoßen und freue mich auf vielfältige und kontroverse Meinungen.

 

 

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