Silvia Habedank:

Lösungsfokussierte Führung

Führung / 8.1.2017 / 0 Kommentare

Lösungsfokussierte Führung

 

Im August 2016 erschütterte ein Erdbeben Mittelitalien. Die Erdstöße verursachten schwere Zerstörungen und begruben zum Teil jahrhundertealte Bauwerke unter sich. Überlebende trauerten um den Verlust von Angehörigen, Freunden und um ihr Zuhause.


Menschen zu betreuen, die nahezu alles verloren haben, stellt für Seelsorger eine hohe Herausforderung dar. Trauerarbeit steht im Vordergrund und doch geht das Leben für die Betroffenen weiter. Damit nach und nach Kraft geschöpft und der Fokus auf die Zukunft gelegt werden kann, nutzen Seelsorger im Begleitungsprozess spezielle Fragen.


„Was ist Ihnen geblieben?" fragte ein Seelsorger eine junge Frau, die in einer Unterkunft versorgt wurde. Sie berichtete von Überlebenden und von den persönlichen Dingen, die sie aus den Trümmern ihres Elternhauses retten konnte. Eine weitere Frage lautete „Was gibt Ihnen in diesen Stunden Halt?" Und die junge Frau erzählte von dem Trost und der Hilfsbereitschaft, die sie erfahren hat. Durch diese Art des Fragens richtet sich die Konzentration zunehmend auf das, was da ist und was funktioniert. Unter all' dem Leid weckt dies Zuversicht.


Die Art des Fragens stammt aus der Lehre der lösungsorientierten Kurztherapie (englisch: solution focused therapy). Diese wurde von den amerikanischen Psychotherapeuten und Wissenschaftlern Steve de Shazer und Insoo Kim Berg Anfang der 80er Jahre entwickelt und fortlaufend modifiziert. Ihr Einsatzbereich bezog sich zunächst auf Begleitung und Beratung von Paaren und Familien.


Die lösungsfokussierte Kurztherapie hat sich, belegt durch viele Forschungsstudien, längst in der Praxis bewährt und hohe Akzeptanz in Fachkreisen gewonnen. Auch im Coaching und in der Organisationsberatung fand der lösungsfokussierte Ansatz einen festen Platz.

 

Ein weiterer Nutzungsbereich: Management und Führung


In Schul- und Studienzeiten wurde gelehrt, dass jedes Problem eine Ursache hat und eine Lösung durch Nutzung verschiedener Tools rasch gefunden wird. Manager und Führungskräfte sind es gewohnt von jeher Sachverhalte auszuwerten, Prozesse zu analysieren und mit Kennzahlen zu arbeiten. In mathematischen und technischen Zusammenhängen sind Problemdefinitionen und Ursachsenanalysen in der Tat sinnvoll.


Wie sieht es jedoch im Führungsalltag aus? Inwieweit ist es zielführend, stets ein detailliertes Verständnis eines Problems zu entwickeln? Ist es möglich, in einem Geflecht von Beziehungen mit Sicherheit zu sagen, womit ein Problem begann? Führen die Informationen zur Wahrheit, insofern es sie gibt, und zu einer sicheren Entscheidung?


Ein Blick in Besprechungsräume und Chefzimmer macht deutlich, dass häufig über Vergangenes, Defizite, Probleme und Schuldige gesprochen wird. Die Dialoge drehen sich dabei im Kreis und die Stimmung und Motivation der Beteiligten schwindet.

 

  • Was war der Auslöser für das Problem?
  • Warum wurden die Maßnahmen nicht umgesetzt?
  •  Wie kam es zu dem Konflikt?
  • Wer hat als erster die Information erhalten?

 

Lösungsfokussierendes Führen bedeutet, sich auf einem direkten Weg in Richtung des erwünschten Zustands zu begeben. Mitarbeitende sind Experten des Systems und verfügen über vielseitige Erfahrungen, daher werden sie mit ihrem Potenzial bei der Lösungsfindung einbezogen.


Lösungsfokussierte Manager und Führungskräfte nehmen eine aufrichtige und wertschätzende Haltung an. Sie ergänzen ihr Kommunikationswissen durch Fragekompetenz und empathisches Zuhören.


Im Hinblick auf den Fachkräftemangel, wachsende Führungsspannen und neue Mitarbeitergenerationen ist ein direktiver und autoritärer Führungsstil unangemessen. Das lösungsfokussierte Führungsverständnis stellt eine Möglichkeit dar, die Aufmerksamkeit auf Möglichkeiten in der Zukunft zu richten, die von dem Einzelnen bzw. von einer Gruppe selbst gestaltet werden können. Das Engagement steigt, die Bindung zum Unternehmen festigt sich und Lösungen werden schneller und nachhaltiger entwickelt.

 

 

 

Stellen wir lösungsorientierte Fragen, so erhalten wir Lösungen


In unserer Sprache gibt es 92 Fragetypen (inkl. Doppel-Typisierung - Recherche Institut Habedank), von denen den meisten Unternehmenszugehörigen nur ein Teil vertraut ist. Lösungsfokussierte Fragen gehören zu den unbekannteren und anders klingenden Fragen und bilden somit eine außergewöhnliche Gruppe. Der Umgang mit ihnen muss erlernt werden, um sie in der Praxis gezielt und auch dosiert nutzen zu können.


Auf Lösungen ausgerichtete Fragen zu stellen, schafft eine zuversichtliche und angenehme Gesprächsatmosphäre. Sie ermöglichen die Perspektive zu wechseln, bisher unbeachtete Kriterien zu nutzen, Potenziale zu erkennen und bereits Erreichtes sowie positive Ausnahmen wertzuschätzen. Mitarbeitende fühlen sich für ihre Antwort verantwortlich und identifizieren sich mit vereinbarten Lösungswegen. Mit der Frage „Was noch?" werden Mitarbeitende ermuntert konzentrierter nachzudenken und weitere Fakten zu erkennen und Optionen zu entwickeln.

 

Wir freuen uns, Sie zum Nachdenken gebracht zu haben und hoffen auf viele Fragen zum lösungsorientierten Fragen und Führen!

 

Silvia Habedank

 

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